Montags-Blues? Tanzen. Fühlen. Atmen.
Phu nimmt uns mit an Orte, die betanzt werden wollen. Plus: Drei Gedanken für mehr Dance in deinem Alltag.
Dreh deine Lieblingsmusik auf, denn nach dieser Folge möchtest du tanzen! Phuong Tran (Hoài Phương Trần Thị), kurz: Phu, (31) tanzt. Außerdem ist sie Journalistin, Bewegtbild-Profi und Formatentwicklerin. In dieser Folge nimmt sie uns mit an Orte, die betanzt werden wollen und erzählt warum ein Hobby neben der Schule nicht selbstverständlich ist.
“Ich reise gerne und erkunde Orte und denke: Diesen Ort möchte ich betanzen.
Auf Rügen gab es mal so einen besonderen Moment: Ich habe dort einen großen Stein entdeckt, es fiel Licht darauf und ich musste einfach dorthin. Ich musste mich dort bewegen. Mein Kumpel Timo hat Bilder und Videos davon gemacht. Ich habe eine Passion für Bewegtbild. Manchmal mache ich Videos davon, wie ich mich bewege. Das ist ein tolles Gestaltungsmittel.
Phu betanzt Orte. Foto: Timo Sestu
Das betanzen von Orten und die Bewegung gibt mir eine krasse Freiheit. Ich kann es nicht anders beschreiben. Es gibt mir das Gefühl zu erforschen und es hat Parallelen zur Meditation. Ich darf einfach sein und ich atme.
Das ist für mich Kunst. Und auch mein Ventil. Ich hatte auf einmal so viele aufgestaute Emotionen während der Pandemie. Ich habe mich mit Rassismus beschäftigt und reflektiert. Die Mischung aus Tanzen und Tanz aufzunehmen war mein Kanal, diese Emotionen rauszulassen, das hat mir geholfen.
Mein Hobby Tanzen habe ich erst spät aufgegriffen. Als Kind hatte ich gar keine klassischen Hobbies neben der Schule. In der Schule habe ich aber Theater gespielt und Basketball.
Meine Eltern sind ehemalige Vietnamesische DDR-Vertragsarbeiter. Sie haben unglaublich viel gearbeitet, da sie selbstständige Händler waren. Sie hatten einen Stand vor einem Supermarkt in Thüringen und haben auch am Wochenende an Touri-Orten wie dem Wasserfall Trusetal Klamotten, Strümpfe, Handtücher und Schuhe verkauft.
Sie hatten keine Zeit und kannten auch die sozialen Strukturen in Deutschland nicht. Dieser Push, dass Jemand sagt: Komm, du bildest dich jetzt weiter durch das Erlernen eines Instruments, Gesangsunterricht oder einer Sportart, fehlte mir. Und das ist auch überhaupt nicht schlimm.
Wenn ich auf meinen Cousin und meine Cousine schaue, die um die 20 sind und in Berlin leben, dann ist es ganz anders. Als sie Kinder waren, machten sie Judo, hatten Klavier- und Gitarrenunterricht und Vietnamesischen Sprachunterricht. Es ist eine andere Generation. Und durch die guten Jobs von Onkel und Tante sind da auch andere finanzielle Möglichkeiten.
Erst an der Uni habe ich mir überlegt: Was für ein Hobby mache ich jetzt? Dann habe ich Hip-Hop getanzt. Das habe ich ziemlich schnell gelassen, weil ich es nicht konnte. Und mit 24 Jahren, als da plötzlich ein bisschen mehr Geld war, weil ich Werkstudentin im Bewegtbild-Team bei Spiegel Online war, habe ich meine erste Ballettstunde gemacht. Das war eine Stunde für “absolute Beginner” im Tanzatelier in Hamburg.
Ballett ist Hammer schwer. Bis heute kann ich es nicht richtig austanzen. Aber: Man trainiert jedes Körperteil.
Ich hatte so einen Schiss vor der ersten Stunde und dann habe ich Dorothea kennengelernt. Sie ist jetzt Ende 70 und bis heute meine Heldin. Da dachte ich: Man kann in jedem Alter etwas Neues anfangen: Egal ob ich Theater spielen will, Skateboarden oder Tanzen.
So wie Michelle Yeoh bei den Oscars sagte: “Ladies, don't let anybody tell you you are ever past your prime!”
Für mich geht es nicht um Wettbewerb und Perfektion, sondern um Ausdruck: Jeder Körper kann sich ausdrücken und bewegen, ich kann bis heute keinen Spagat.
So what?
Durch Tanz kannst du Gefühle ausdrücken. Oder ihnen erstmal näher kommen.
Seit dem letzten Jahr bin ich in einem Tanzensemble und ich kann nicht glauben, dass ich dazu fähig bin. Meine Modern-Dance-Tanzlehrerin hat zum Ensemble aufgerufen und ich so “ja ja lass die Profis mal machen” und sie meinte: “Phu, auch du bist angesprochen.”
Ich war ganz lange ein ängstliches Mädchen und dazu noch eine Perfektionistin, was eine Horror-Kombination ist. Ich dachte, dass man perfekt sein muss, aber jetzt weiß ich: Natürlich bist du es wert, dich zu zeigen, ich habe gelernt, dass ich mich verlautbar machen muss. Das kommt auch von der Haltung meiner Eltern: “Bitte nicht auffallen und wenn du in der Schule oder in der Stadt scheiße baust, dann fällt das auf alle Vietnamesen zurück.”
Der Alltag ist getaktet. Ich habe eine Leidenschaft für meine Arbeit, aber das ist letztendlich auch eine Dienstleistung für eine Firma. Sicherheit ist für mich wichtig. Geld für die Miete und Geld für meine Eltern. Aber mein Tanz bleibt frei davon. Ich muss damit kein Geld verdienen.
Ich darf einfach sein, egal wie ich mich ausdrücke: Mit der Stimme, mit Schauspiel oder mit dem Körper – manchmal braucht es nicht mehr und man fühlt es einfach, ohne Wertung. Das liebe ich.”
Drei Gedanken zum Tanzen:
Fühl mal: Woher kommt dein Impuls dich zu bewegen? Dich auszuprobieren? Höre drauf und fange an, dich zu bewegen zu der Musik, die du magst.
Probier mal: Was sind deine eigenen Bewegungen? Vergiss die Regeln des Tanzens. Du musst keinen Normen folgen.
Wag was: Wer tanzt, der wagt etwas. Auch wenn man keine Rampensau ist. Es geht um Gefühl, Leidenschaft, Musik spüren, im Moment sein. Wer sich bewegt, macht sich verletzbar, das ist mutig und wunderschön.
Vielen Dank dafür! Für mich ist das eine fremde Welt – und trotzdem habe ich sofort Lust darauf bekommen. Schön, wie nahbar sie es erzählt <3
Dance- dance- dance macht glücklich.