Ich bin zu viel am Handy. Ich habe zur Sicherheit, wie jeder vernünftige Millennial es tun würde, einen Test gemacht. Und laut diesem Test habe ich sogar echte Probleme.
(Scroll jetzt gleich nach unten, wenn du nur die Tipps lesen möchtest, wie man das Smartphone weniger nutzt).
Der Test fragt zum Beispiel folgendes ab:
Verbringst du mehr Zeit am Handy, als dir klar ist? (Ja!)
Fühlst du dich unwohl, wenn du dein Smartphone zu Hause vergessen hast? (Ja!)
Checkst du dein Smartphone sofort, wenn es klingelt oder piept? (Ja!)
Ich liebe mein Handy. Ich liebe die Mini-Podcasts, die mir meine Freund:innen über WhatsApp schicken. Und ich liebe den Austausch mit anderen über die sozialen Medien. Überhaupt bin ich keine Kulturpessimistin. Eine Pandemie oder eine Babyzeit ohne Handy? Nein, danke.
Und ich hätte Aileen Puhlmann, aus der letzten Newsletter-Ausgabe ohne Social-Media zum Beispiel gar nicht kennengelernt.
Überhaupt finde ich soziale Medien unfassbar wichtig, weil sie Menschen die Macht geben auf Unerträgliches aufmerksam zu machen. Denken wir nur mal an die Revolution im Iran.
Doch was ich nicht liebe, ist der Kontrollverlust.
Ich greife nach meinem Handy und öffne Apps, die ich gar nicht öffnen wollte. Apps, das sind Produkte, mit denen Unternehmen Geld verdienen wollen. Deshalb wollen sie uns an sie binden, sie wollen, dass wir sie ständig nutzen. Deshalb werden sie so gestaltet, dass wir Dopamin ausschütten, während wir sie nutzen. „Unser Gehirn schüttet Dopamin aus, wenn es sich in einer Erwartungshaltung befindet“, sagt Martin Korte, Neurobiologe an der TU Braunschweig in diesem Artikel auf Quarks.de. „Dopamin ist das Erwartungshormon.“ Wenn dann die Erwartung eintritt, belohnt uns der Körper zusätzlich mit Endorphinen und körpereigenen Opiaten. Dopamin-Ausschüttung bedeutet also Glücksgefühle. „Aber je häufiger das passiert, desto geringer ist die Ausschüttung“, so Korte.
Den ganzen Artikel, liest du hier.
Klingt ja erstmal ganz geil. Aber: Je mehr das geschieht, desto mehr stumpfen wir auch ab.
Und das wird von Firmen genutzt. Es gibt ganze Bücher dazu, wie das funktioniert. Die Autorin Catherine Price hat in ihrem Buch “How to Break Up with your Phone” zusammengefasst, wann unser Gehirn Dopamin ausschüttet. Und auch der Autor Nyr Eyal hat sich in seinem Buch “Hooked - How to Build Habit-Forming Products” eingehend damit beschäftigt und erklärt, welche Belohnungsmechanismen in Produkten funktionieren:
Wir werden überrascht! Die Mail Inbox ist ein tolles Beispiel. Es gibt sehr spannende und aufregende Mails. Die Zusage zu einem Job, die Mail einer alten Freundin, die Einladung zu einer Party. Es gibt aber auch viele langweilige Mails, Spam-Nachrichten oder einfach auch: keine neue Nachrichten. Jedes Mal wenn ich meine Mails checke, ist es ein Glücksspiel, welches Ergebnis eintritt.
Wir werden geliebt. Und validiert. Und das passiert zum Beispiel durch Likes und Kommentare auf den Social-Media-Plattformen. (Ich checke zum Beispiel regelmäßig, ob es neue Leser:innen/ Abonnent:innen meines Newsletters gibt 🙈).
Wir werden besser. Wenn ich zum Beispiel ein Puzzle zu Ende puzzle oder alle meine Nachrichten gelesen und bearbeitet habe, dann fühle ich mich gut.
Wir finden etwas, das wir gesucht haben. Sei es die Suche nach dem großen Schnäppchen, der Liebe oder etwas Interessantem im endlosen Feed (Hallo TikTok!). Und selbst wenn zehn Videos langweilig sind, wir sind darauf konditioniert, dass das 11. uns wieder überrascht (siehe Punkt 1).
Was hat all das mit Spaß zu tun?
Eine ganze Menge. Catherine Price schreibt in ihrem Buch “Your life is what you pay attention to.” Und wenn wir (grundlos) am Handy sind, dann haben wir weniger Zeit für etwas anderes und sind nebenbei auch noch unaufmerksam. Und damit meine ich nicht sich bewusst Instagram, Tinder oder TikTok zu gönnen, sondern die vielen Male, die die Hand unbewusst zum Handy greift und Apps einfach so öffnet. Die Autorin Isabell Prophet schreibt in ihrem Buch “Das Eltern Zeit Buch”:
“Sie (Freizeit) ist sofort verloren, wenn wir sie vorbeiziehen lassen. Die nahe liegende Freizeitgestaltung ist immer Hausarbeit, die einfachste immer das Smartphone. ”
Und genau das ist mein Punkt: Du bist happy damit, wie viel du dein Handy (und damit auch deine Zeit) nutzt? Super, dann brauchst du jetzt nicht weiterlesen. Du möchtest etwas ändern?
Dann lass uns jetzt gemeinsam Schluss machen.
10 Tipps aus dem Buch (und meine Erfahrungen):
Verschaffe dir einen Überblick über deine Handynutzung. Du kannst ganz einfach in die Einstellungen gehen und dann in der Bildschirmzeit sehen, wie oft du dein Handy in die Hand nimmst, wie viele Stunden du täglich am Handy verbringst und welche Apps du (wie lange) öffnest.
Mach dir eine Liste: Was magst du an deinem Handy und wie du es nutzt und was gefällt dir überhaupt nicht? Was stört dich auch an der Handynutzung von anderen?
Such dir einen Buddy: Seine Gewohnheiten zu ändern ist schwer. Gemeinsam kann man sich austauschen und motivieren. Was auch hilft, ist ein Accountability-Buddy – also jemand, dem du von deinem Vorhaben erzählst und der dich unterstützt.
Mach dich schlau und nicht runter: Mir hilft es total, mehr über Dopamin und überhaupt die Macht von Gewohnheiten zu wissen und damit auch darüber, warum es mir so schwerfällt, die Finger vom Handy zu lassen.
Binde ein Haarband um dein Smartphone, damit du etwas Ungewohntes spürst und dadurch realisierst, dass du dein Handy gerade in die Hand nimmst (sonst geschieht es oft ganz unbewusst). Du kannst dir auch einen Zettel aufs Display kleben, auf dem steht: “Was willst du von mir?”
Lösche die Social-Media-Apps von deinem Handy und nutze sie stattdessen im Browser (falls du sonst FOMO bekommst). Ehrlich gesagt: Ich packe das nicht. Was ich stattdessen gemacht habe, ist die Zeit pro App zu begrenzen. Zusätzlich habe ich One sec (von der Uni Heidelberg und dem Max-Planck-Institut) installiert. Die App zwingt dich, ein paar Sekunden durchzuatmen, bevor du andere Apps öffnen kannst, die du sonst ohne darüber nachzudenken aufmachst.
Lass dein Handy liegen. Dein Handy ist wahrscheinlich der einzige Gegenstand, den du immer bei dir hast und überall benutzt. Such dir stattdessen einen Platz zuhause aus, an dem du dein Handy nutzt (Price empfiehlt die Ladestation). Auch das schaffe ich (noch) nicht. Aber: Ich nehme mein Handy nicht mehr mit ins Schlafzimmer und habe dadurch schon wieder mehr gelesen.
Schalte dein Handy mal für 24 Stunden aus. Wenn du das ausprobieren kannst, super! Für mich, ist es so, dass ich für die Familie, die Kita und die Schule erreichbar sein möchte. Das geht bestimmt vielen Menschen so, die sich um andere Menschen kümmern. Was man aber machen kann, ist an einem Abend in der Woche die Bildschirme zuhause auszulassen.
Sortier dich neu: Welche Apps brauchst du wirklich? Lösche alle anderen. Und sortiere dir deine Apps so, dass es für dich sinnvoll ist.
Jede:r ist anders. Ich halte nicht so viel von One-size-fits-all-Lösungen. Was für mich funktioniert, muss nicht für dich gelten. Da kommt so viel zusammen. Lebt man alleine, in einer WG, mit der Familie? Es gibt total viele externe und auch körperliche Faktoren. Mach es so, wie es für dich gut ist.