Hallo, das ist die sechste Ausgabe von What the Fun und mittlerweile lesen hier 159 Menschen mit. Und ich freue mich über jede:n Einzelnen von euch. Die letzte Ausgabe mit Isabell Prophet wurde über 200 Mal gelesen – yay! Man könnte meine Freude darüber jetzt cringe finden. Weil, hey, objektiv betrachtet, sind das keine beeindruckenden Zahlen. Fair enough, denn cringe (ich habe das jetzt einfach mal mit schrullig übersetzt) ist mein neues Lebensziel.
Ich habe lange keinen schöneren inspirierenden Satz als diesen gelesen (gefunden in diesem schönen Liebesbrief ans cringe-sein):
Echten Spaß haben wir, wenn wir uns nicht be- oder verurteilt fühlen, schreibt die Autorin Catherine Price. Gar nicht so leicht in einer Zeit, in der wir uns online mit so vielen Menschen vergleichen und von so vielen beurteilt werden wie nie zuvor.
Und wir selbst beurteilen auch non stop. Peinlich, dass Person X jetzt bei Instagram Gedichte schreibt, total basic, dass Person Z alles über Kim Kardashian weiß. Und überhaupt dieser Gadget-Typ: Braucht er wirklich neue Schuhe für sein Rennrad?
Letztens sah ich ein Reel von einem Spinning-Kurs. Die Trainerin motivierte die Teilnehmenden, tanzte durch den Raum dazu bollernde Bässe. Darüber stand: “This looks like hell”.
Wir sind zynisch, wenn Leute zu viel fühlen. Wenn sie zu ernst ihrer Freude nachgehen.
Als ich letztens selbst das erste Mal Spinning machte und der Instructor eine Motivationsrede hielt - alle inspirierenden Allgemeinplätze inklusive - musste ich heulen. Uhhh, so platt. Und trotzdem so viele Gefühle, peinlich.
Nach dieser Folge wollt ihr 🏀 Basketballspielen UND zum 🚲Spinnig:
Also auch ziemlich cringe.
In ihrem Artikel “A love letter to being more cringe, because it really is freeing” schreibt die Journalistin Chloe Laws:
“Cringe is cool’s antithesis. A deep-in-your-bones shudder that happens, unprompted, when seeing someone is, god forbid, trying. Cringe is the meeting of awkwardness and trying too hard – it’s cringey to care, it’s cringey to be passionate, it’s cringey to be sincere.”
(Cringe ist das Gegenteil von Cool. Ein tief in den Knochen steckender Schauder, der prompt auftritt, wenn man sieht, dass jemand, Gott bewahre, es versucht. Cringe ist das Zusammentreffen von Unbeholfenheit und zu viel Anstrengung – es ist peinlich, sich zu sorgen, es ist peinlich, leidenschaftlich zu sein, es ist peinlich, aufrichtig zu sein.)
Ich war nie besonders cool.
Mit etwa sechs Jahren trug ich eine rosa Brille und steckte bunte Federn (mit denen man bastelt) an den Bügeln fest, weil ich es schön fand.
Mit zehn Jahren fuhr ich mit meinem Einrad zur Schule.
Mit 12 gehörte ich in der Schule zur “Pyjama-Gang”, weil meine Kleidung so gemütlich war wie Pyjamas.
Mit 15 schrieb ich Gedichte, die ich der Klasse vortrug.
Mit 16 fuhr ich mit einer Freundin an den Flughafen und wir taten so, als wären wir Schwedinnen, die auf ihren Rückflug warteten. Und sprachen dabei Menschen auf Englisch an. Natürlich mit starkem deutschen Akzent.
Für mich klingt das rückblickend nach der perfekten Dosis Schrulligkeit und Spiel.
Was ist seitdem passiert? Das Erwachsenwerden. Und der Wunsch, den Erwartungen anderer gerecht zu werden. Ich habe mir alle diese Schrulligkeiten abgewöhnt, um cooler zu sein. Um ernstgenommen zu werden.
Sprich nicht so hoch, sonst nimmt dich niemand ernst.
Heul nicht vor Erleichterung, wenn du etwas erreicht hast.
Zieh dich nicht zu bunt an.
Sprich nicht zu viel von deinen Kindern, weil das nervt.
Mach eine Diät und nenne es “healthy choice”.
Stop oversharing (weil das nicht geheimnisvoll ist).
(INSERT YOUR UNGEFRAGTEN RATSCHLAG HERE).
Das Absurde daran: All diese Dinge haben mich nicht lässiger gemacht. Eher im Gegenteil. Wenn wir ständig überlegen, wie wir uns verhalten sollten, um besser anzukommen, dann sind wir angespannt.
Es lässt sich nicht viel gegen die Bewertung anderer machen. Wir selbst bewerten ja auch ständig. Deshalb war der beste Ratschlag den ich in den letzten Jahren bekommen habe:
Mach, was du möchtest. Manche finden es doof, andere gut und die allermeisten interessiert es nicht.
Ich bin gerade 36 geworden. Und ich hole mir jetzt Tag für Tag meine Schrulligkeit zurück. Meine Töchter und mein Sohn sind noch klein. Es schmerzt, wenn ich daran denke, dass auch sie unmöglichen Erwartungen ausgesetzt sein werden. Dass sie versuchen werden, sich diesen zu beugen und dabei nur verlieren können.
Und vielleicht ist das Beste, was ich jetzt tun kann, mich selbst nicht mehr den Erwartungen von einem ominösen, ungreifbaren Außen zu beugen, sondern selbst die Regeln zu machen.
Ich will fühlen. Ich will lachen. Ich will spielen und ich will tragen, was mir gefällt. Ich will fragen, wenn ich etwas nicht verstehe. Ich will mich um andere sorgen und für sie da sein. Und ich will mich freuen, über jeden von euch, der bis zum letzten Satz liest.
All das ist peinlich, schrullig, cringe? Nehme ich.
Dein Stil gefällt mir sehr. Lese alle Deine
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Bester Untertitel aller Zeiten!